Susanne Tunn

ATEM – META

Felix-Nussbaum-Haus/Kulturgeschichtliches Museum, Installation auf dem Dach der Villa Schlikker und in der Galerie Anette Röhr, Osnabrück, 2004

SCHWARZER GARTEN

(…) In der skulpturalen Praxis der Susanne Tunn ist es selten, dass die Künstlerin wirklich baut oder konstruiert. Eigentlich wird sie meistens mit Steinen verschiedener Art, Alter und Struktur konfrontiert. Dabei versucht sie über lange Zeiträume, zu entdecken, wie sich die echte Haut und der Körper eines Steines erblicken lässt. Selten sind additive oder konstruktive Prozesse präsent. Mit ATEM geht Susanne Tunn dem Material gegenüber ein anderes Engagement ein. Jedes Mal werden Stein für Stein neue Konstellationen und Zusammenhänge gebaut. Verhältnisse werden geschaffen zwischen dem Blick von unten auf die Skulptur und der Erfahrung, wenn man sich gerade auf der Dachplattform inmitten der ‚Landschaft‘ befindet. Dialoge zwischen den konstruierten Einzelteilen und der Gesamterscheinung von ATEM entstehen. Distanz und Nähe, Transparenz und Dichte, Form und Hülle, Zeit, Klima und Veränderung sind die skulpturalen Parameter dieser Arbeit. (…) Die Arbeit META und ATEM gleichen sich nicht nur in der Materialverwendung. Wichtiger ist noch die präzise und akurate Wahrnehmung, mit der Susanne Tunn in beiden Fällen ihre Arbeiten entwickelt hat. Es ist nicht die Wahrnehmung eines Fotografen, der das Moment zelebriert. Ihre Wahrnehmung ist taktil, synchron, zeitbewusst, innert und synästhetisch. In ATEM und in META baut Susanne Tunns skulpturale Wahrnehmung ausgewachsene Säulen. Einerseits Säule als Teil einer Architektur des Himmels, anderseits Säule als potenzieller (Schutz)Raum für Menschen und ihre Geschichte. Die Zylinder beider Arbeiten sind von innen und außen Behälter von Raum, Licht, Reflektionen, Zeit und Luft. Zu gleicher Zeit verkörpern diese Säulen die Attitüde und Gedanken einer Künstlerin, die konsequent versucht, die Aktualität und Notwendigkeit von Skulptur in der Kunst und in unserer Gesellschaft zu befragen und zu untersuchen.

Philippe Van Cauteren
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